Stadtrundgang

Nidda - das Tor zwischen Wetterau und Vogelsberg mit sehenswerter Altstadt

Wir beginnen unseren Rundgang am Johanniterturm. Der Turm ist der letzte verbliebene Rest der ältesten hessischen und achtältesten Johanniterniederlassung Deutschlands. Er wurde 1491/92 nachträglich an das damals noch vorhandene romanische Kirchenschiff der Johanniterkirche angebaut. Noch heute sind ein früherer Dachgiebel sowie mehrere Dachansätze als Mörtelspuren am Turm erkennbar. Das Gotteshaus war eine romanische Pfeilerbasilika mit einem Mittelschiff, zwei Seitenschiffen und fünf Altären. Es wurde bis ins frühe 17. Jh. als Gotteshaus genutzt. Bis heute hängen im Johanniterturm drei Glocken (gegossen 1519, 1572 und 1625), die eines der ältesten und schönsten Geläute Hessens zum Erklingen bringen. Am heutigen Beundehang befand sich bis 1583 eine große Klosteranlage mit Kirche, Lateinschule, Stallungen und Gehöften, wovon heute nur noch der Turm und der renovierte Komtursbrunnen im Grundstück der Familie Cloos Zeugnis ablegen. Die Kirche wurde erstmals 1187 in einer Schenkungsurkunde des Grafen Berthold von Nidda an die Johanniter erwähnt (zur Johannitergeschichte später mehr). 1780 wurde die Kirche endgültig abgerissen. Seit November 2001 erinnert ein Sandstein im Stile eines spätgotischen Kirchenfensters an diesen bemerkenswerten Abschnitt Niddaer Geschichte. In der Johanniteranlage am Turm wurde eine bauliche Darstellung rekonstruiert, die auf der Grundlage von 2004/2005 sowie 2008 durchgeführten archäologischen Grabungen möglich wurde. Das neue Sandsteinmauerwerk und die Gabionen zeigen den Verlauf der Grundmauern der gotischen Kirche zum Zeitpunkt ihrer Renovierung, wie sie in einer Bauzeichnung aus dem Jahre 1633 überliefert ist. Sie wurden durch die Lage der ergrabenen Grundmauern und aufgrund neuer Messungen präzisiert. An prominenter Stelle des Kirchenschiffes fand sich eine außergewöhnlich große Doppelgrabplatte aus Sandstein mit einem Kreuz; sie deutet auf die Bestattung bedeutender Personen der damaligen Grundherrschaft hin und datiert auf das Ende des 12. Jh. Eine Replik der Originalplatte, die mittlerweile im Lapidarium des Niddaer Heimatmuseums ausgestellt wird, ist dort am Johanniterturm im Boden eingelassen.

Der im Mittelpunkt des Marktplatzes stehende Marktbrunnen wurde im Jahre 1650 mit einem neuen Aufsatz aus rotem Sandstein versehen, der das alte Stadtwappen mit dem acht-strahligen Stern der Grafen von Nidda trägt sowie die damals noch vorhandenen Stadttore und das Schloss. Folgender Spruch ziert den Brunnen:

 

Ich steh alhier auff offenem Marck

Geb hin mein Wahr ohne Gelt

Wer Lust hat trinck wans ihm gefelt

Ob ich schon wird gering geacht

So steht doch meine Kraft in Gottes Macht

Welcher seine Brünlein lest fliesen

Die der Arm sowohl als der Reiche hat zu geniesen

ANNO M-DC L DEN 30 MAY

(M=1000, D=500, C= 100, L=50, also 1650)

 

In den engen Gassen um den Marktplatz wie die Schlossgasse, die „Alte Gasse" oder Mühlstraße finden sich noch etliche Fachwerkhäuser des 16. und 17. Jahrhunderts, besonders zu beachten sind die Häuser Mühlstraße 4, das wohl älteste Fachwerkhaus in Nidda (ca. 1490), und das Dreigiebelhaus, eine bauliche Rarität, wie sie sonst nur an wenigen Orten zu finden ist. Tritt man ein kleines Stück ins Petersmannsgässchen, kann man die drei verschieferten Giebel gut sehen.



Das ehemalige Stadtwirtshaus „Hotel zum Stern", heute HEIMATMUSEUM

Eines der imposantesten Bauwerke am Marktplatz ist das 1632 von Baumeister Otterbein erbaute ehemalige Stadtwirtshaus „Hotel zum Stern". Direkt daneben befindet sich das frühere Rathaus, erbaut 1811 im klassizistischen Baustil. Beide Gebäude werden heute vom Museum genutzt. Viele Jahre dienten beide Gebäude der Stadtverwaltung als Herberge, bis 1983 das neue Rathaus in der Schlossgasse fertig gestellt war.

Die älteste hessische Saalkirche „Zum heiligen Geist"

Die Kirche wurde 1615-18 im Renaissance-Stil erbaut. Nachdem die älteste Pfarrkirche Niddas, die Johanniterkirche und eine weitere kleine Kapelle in der Stadt, die der Jungfrau Maria geweiht war (erste Erwähnung 1321 mit Standort Marktplatz), verfallen waren, wurde die Marienkirche 1614 abgerissen und die junge evangelische Kirchengemeinde entschloss sich zum Neubau einer Saalkirche, der ersten hessischen diesen Stils. Mit dem Bau beauftragt wurde der italienische Baumeister Ulrich de Fonesto, auch der Wolff oder der Mayländer genannt. Leider erwies sich dieser „Baumeister" nicht als ein Meister, da sich trotz hoher Baukosten bald schwere Baumängel herausstellten, so dass der ganze Turm und Teile des Kirchengemäuers abgetragen und erneuert werden mussten. Der „liederliche Baumeister" jedoch war inzwischen verschwunden, nicht ohne etwa 100 fl. Frankfurter Gemeine Währung an Schulden bei Wirten, Bäckern und anderen Bürgern zu hinterlassen. Durch einen geharnischten Steckbrief des Landgrafen wurde er durch die ganze Wetterau verfolgt, konnte jedoch nicht dingfest gemacht werden. Die junge evangelische Gemeinde hat dann wohl aus Geldnot den neuen Turm nur mit einer niedrigen Haube versehen lassen. Durch eine Metallspende des gesamten Kirchspiels und Unterstützung durch den Landgrafen wurde es möglich, 3 Glocken aufzuhängen, die 1618 durch den Giessener Superintendenten Johannes Winkelmann geweiht werden konnten. Die Stuckdecke im Inneren trägt die Jahreszahl 1617 und zeigt neben den Wappen des Landgrafen Ludwig V. von Hessen-Darmstadt und seiner Gemahlin Magdalene von Brandenburg den Doppeladler als Sinnbild göttlicher Begeisterung sowie den Pelikan als Sinnbild der göttlichen Liebe. Ein Kleinod besonderer Art ist die 1615 von einem Unbekannten geschnitzte Kanzel, gestiftet von Amtmann Schwartz und seiner Frau. An den fünf Ecken der Kanzel stehen die vier Evangelisten und der Apostel Paulus.

Das Kruzifix aus dem 17. Jahrhundert ist ebenfalls sehr beeindruckend, nicht zuletzt deshalb, weil es die Inschrift INRI nicht nur lateinisch und griechisch sondern - was so selten ist – auch hebräisch trägt. Der Steinaltar und das Taufbecken aus rotem Sandstein sind schlicht verziert und ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert. Die älteste Orgel der Stadtkirche von 1621 wurde 1781 durch eine zweite ersetzt. Ihr folgte 1935 eine dritte mit dem barocken Gehäuse der zweiten. Ab 1961 befand sich die vierte Orgel auf der Nordempore. Dort wurde auch anlässlich der Feierlichkeiten zum 400-jährigen Bestehen der Ev. Stadtkirche Nidda am 29. April 2018 die heutige neue Eule-Orgel unter Verwendung des spätbarocken J. A. Heinemann-Prospektes, dem Gehäuse aus 1781, eingeweiht. 1897 stiftete die Familie Krug zu Nidda die mit ihren Wappen verzierten Doppelfenster im Chorraum. Unter dem mittleren Fenster ist der Grabstein des Ahnherren der Familie Krug von Nidda, des Amtmannes der Grafschaft Nidda Roland Krug aus Goar, zu sehen (zu Roland Krug mehr im Textteil Geschichte). Sein Grab (†24.12.1617) befand sich in der Johanniterkirche, der Stein wurde später in die Stadtkirche versetzt. Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts musste eine grundlegende Sanierung der Kirche erfolgen. Durch Trinkwasserentnahmen für die Stadt Frankfurt traten Setzungsschäden im gesamten Altstadtbereich auf, die auch die Kirche in Mitleidenschaft zogen. Um die Kirche wurden starke Betonringe gelegt, die schöne Stuckdecke wurde saniert. 2010/11 wurde eine umfangreiche Dachsanierung durchgeführt und das Gebälk beeindrucken neu gestaltet.

Auf den Fundamenten der alten Wasserburg der Grafen Berthold von Nidda (Regierungszeit ca. 1104 – 1200) wurde im ausgehenden 16. Jh. ein Renaissance-Schloss erbaut. Ursprünglich diente die Wasserburg als Straßensicherungsburg der Staufer. Nachdem Graf Bertold von Nidda (Gefolgsmann Kaiser Barbarossas) ohne männlichen Nachkommen blieb, erbten die Grafen von Ziegenhain Burg und Grafschaft. Von ca. 1200 – 1450 blieb sie in deren Besitz, dann ging die Burg in den Besitz der Landgrafen von Hessen – Marburg, später von Hessen – Darmstadt über. In der Renaissancezeit um 1600 wurde sie, ehemals noch von einem Wassergraben umgeben, umgebaut und diente als Sitz der Amtmänner, die von den Landgrafen von Hessen – Darmstadt zur Verwaltung eingesetzt wurden, darunter so verdiente Amtsträger wie Roland Krug, Reinhard Abell (Stifter des ehem. Armenhauses und Hospitals, heute ev. Gemeindebüro) Amtmann Arnold Schwartz (Stifter der Kanzel in der ev. Saalkirche). Später diente das Schloss als Amtsgebäude des Regierungsbezirkes (1848-1852) und Kreises Nidda (bis 1874); nach dessen Auflösung beherbergte es bis 2011 das Amtsgericht. 1907/08 kam ein Anbau mit Durchfahrt zum Schlosshof hinzu. Inzwischen befindet sich das gesamte Anwesen in Privatbesitz.

 

Älteste urkundlich erwähnte Brücke ist der heute und auch früher schon so genannte „Lange Steg" am Johanniterpark (ca.1300).
Die älteste Steinbrücke wurde 1607 erbaut und führte jenseits des Kohdener Tores an der alten Stadtmühle stadtauswärts über die Nidda. Auf einer Sandsteinplatte steht:

 

Als man zaehlt nach Christi
Geburt Sechzehnhundert
Und Acht da wurt durch
Rath des edlen Arndt Schwarzens dero
Grafschaft Nidda
Amptmanns von einem
Erbarn Rath allhir diese
Bruck ausm Grunt erbaut
Dafurt dem Allmechtigen
Zu dancken ist weil es
Zunutz gerathen ist.